Montag, Juli 30, 2012

Projektgeschichte: Was den Projektleiter aus den Latschen haute


Wie jeden Morgen leicht verspätet hetzte ich die Treppen zum Büro hinauf, die Restpfütze Milchkaffee in meiner schwankenden Kaffeetasse näherte sich dabei bedrohlich dem Tassenrand.
Seit drei Minuten fand unser morgendliches Krisenmeeting zum Projekt „Mailumstellung“ statt. Das Projekt ging einfach nicht voran, obwohl wir uns teamübergreifend intensiv damit auseinandersetzten. Hatten wir ein Problem gelöst und wollten eine Teilumsetzung durchführen, tauchte hierbei das nächste Problem auf, dazu technischer, also sehr komplexer Art. Mit Hochdruck absolvierten wir ein Meeting nach dem nächsten, um zu klären, welcher externe Dienstleister welches Detail erledigen müßte und welche Lösungsansätze getestet werden sollten, um weiterzukommen.

Die Stimmung wurde von Meeting zu Meeting aggressiver und ebenso unproduktiver, alle Beteiligten wirkten gehetzt und frustriert.
Jedenfalls sprintete ich die Treppen hinauf bis zum Konferenzraum, die Tür war bereits geschlossen. Ich blickte nach rechts und links, doch da war nichts. Ich blickte hinter mich, da war niemand. Ich sah nach oben, doch es ging nur vier Stockwerke aufwärts, ohne, dass jemand zu sehen gewesen wäre. Vor dem Konferenzraum einige Paare Schuhe, aber von den Schuhträgern war weit und breit nichts zu sehen. „Was hat denn die Projektmitglieder alle aus den Latschen gekippt?“ Das war mein erster Gedanke. Zögernd öffnete ich die Tür: Der Konferenztisch war an die Wand gerückt worden, in der Mitte des Raumes standen allen Ernstes fünf Herren auf einem Bein, hatten das andere an die Beininnenseite angelegt, schauten tiefernst in die Runde und sagten – nichts.
Schließlich sprach der Projektleiter: „Wir stehen gerade im „Baum“, möchten Sie mitmachen? Er beruhigt und zentriert. Wir werden diese Übung jetzt vor jedem Meeting fünf Minuten praktizieren, um dann in ruhiger Stimmung unsere Planungen voranzutreiben. Mein erster Impuls war: Jetzt wollen sie mich veräppeln…Aber da niemand Anstalten machte, seine Haltung aufzugeben, zog ich etwas verwirrt meine Schuhe aus, gesellte mich dazu und stand einige Minuten auf einem Bein im Kreise meiner Kollegen.
Anschließend wurde der Tisch wieder in die Mitte geschoben, wir begannen wie jeden Morgen mit der Sitzung. Und ob Sie es glauben oder nicht: Das Projekt wurde nicht weniger kompliziert - aber effizienter, konstruktiver und entspannter umgesetzt.

 Sabine H.

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