Kennen
Sie Hermann? Hermann war über 30 Jahre der Mister Softwareentwicklung in einem
großen Konzern. Wieso "war" fragen Sie jetzt wahrscheinlich? Keine
Sorge, Hermann lebt noch. Er entwickelt jetzt aber keine Software mehr, sondern
nur noch das Obst und Gemüse in seinem Schrebergarten. Früher, ja früher konnte
man ihn alles fragen. In seinen über 30 Dienstjahren hat er als Chefentwickler
fast jedes Bit und Byte umgedreht. Er hat sich für die Firma manches Wochenende
um die Ohren gehauen. Wenn irgendwer eine Frage hatte. Hermann wusste einfach
alles und war so was wie eine wandelnde Programmdokumentation.
Doch
dann kam der Kevin. Bis vor kurzem hat der Kevin noch studiert. Jetzt ist der
Kevin Unternehmensberater in einer großen amerikanischen weltweit agierenden
Beraterfirma, einem Global Player des Consulting-Business. Kevin haben sie als
erstes in einen dunklen Anzug gesteckt. Als zweite Amtshandlung hat er in
Hermanns Unternehmen eine neue globale IT-Strategie eingeführt. Der Kevin hat
nämlich ausgerechnet, dass es viel besser ist, die IT outzusourcen. Das stand
auch so in seinen hübschen Power-Point-Folien. Deswegen passte Hermann nicht
mehr in die globale IT-Strategie und Kevin hat ihn mit 55 aufs Altenteil
geschickt.
Den
Job von Hermann macht jetzt der Rashid, der aber nicht mehr in Deutschland,
sondern in Bangalore, Indien sitzt. Weil der Rashid natürlich nicht weiß, was
er programmieren soll, braucht er eine exakte Vorgabe, auf der genau steht, was
er machen soll. Und im Gegensatz zu Hermann, der sofort beim Fachbereich auf
der Matte stand, wenn ihm etwas komisch vorkam, programmiert der Rashid es so,
wie es in der Vorgabe steht.
Weil
aber das, was der Rashid abliefert nicht mehr so gut ist, wie das von Hermann,
hat der Kevin noch einmal nachgelegt und sich eine neue Teststrategie
ausgedacht: Es gibt jetzt einen Test-Manager, einen
Testautomatisierungs-Manager, einen Testkonfigurations-Manager, einen
Test-Designer und die Mitarbeiter vom Fachbereich wurden zu
ISTQB-zertifizierten Testern ausgebildet. Zu der Testtruppe gesellen sich noch
zwei Test-Consultants aus Kevins Firma. Und weil es so komplex geworden ist und
somit schwer ist den Überblick zu behalten, gibt es jetzt noch einen Chief
Complexity Officer (CCO). Praktischerweise kam der auch gleich von Kevins
Firma.
Der
neue Software-Entwicklungsprozess läuft noch nicht so rund, wie der Kevin sich
das gedacht hat. Der Fachbereich ist nicht wirklich glücklich mit der neuen
Software und die Controller haben auch nicht viel Spaß an Kevins neuer IT-Strategie,
weil sie jetzt mehr bezahlen als vorher. Der Kevin sagt dann immer, dass es
noch Anlaufschwierigkeiten gibt, die Einsparpotenziale aber bald gehoben
werden.
Da
frage ich mich doch: War es wirklich so gut, den Hermann schon aufs Altenteil
zu schicken?
Oliver Knittel www.insure-it.com
Wie wahr und wie bitter!
AntwortenLöschenSchön geschrieben. Ich kenne mich da zwar nicht aus mit IT-Strategien und &, aber dass die Nicht mehr ganz Jungen;-)zu schnell abgeschoben werden, das hört man überall.
AntwortenLöschenJa, sehr nett geschrieben und Tag für Tag geschiet es weil eben doch nicht immer alle richtig rechnen können, so vollkostentechnisch betrachtet.
AntwortenLöschenCHB