Montag, Juli 30, 2012

Die Abstimmung: Projektgeschichtenwettbewerb "Wo ist der Projektleiter"

So, hier sind die Geschichten, die uns erreicht haben,
mit Titel und Autor.

Um 13:00 geht die Abstimmung los, dann sind die Geschichten nachzulesen.

Ich finde sie wirklich Klasse und freue mich sehr über die Einsendungen :-)

Auf der rechten Spalte des Blogs ist die Abstimmung zu finden. Liebe Leser, bitte wählt bis zum 07.08.2012 Eure Lieblingsgeschichte aus!!!

1)  Planungs-Party - Nadja Schröer-Petranovskaja
2) Was den Projektleiter aus den Latschen haute - Sabine H.
3) Jedermann - Christoph Schiele
4) Ein ganz normaler Tag - Jolanta Czagin
5) Der Kevin wird es schon richten - Oliver Knittel

Projektgeschichte: Der Kevin wird es schon richten


Kennen Sie Hermann? Hermann war über 30 Jahre der Mister Softwareentwicklung in einem großen Konzern. Wieso "war" fragen Sie jetzt wahrscheinlich? Keine Sorge, Hermann lebt noch. Er entwickelt jetzt aber keine Software mehr, sondern nur noch das Obst und Gemüse in seinem Schrebergarten. Früher, ja früher konnte man ihn alles fragen. In seinen über 30 Dienstjahren hat er als Chefentwickler fast jedes Bit und Byte umgedreht. Er hat sich für die Firma manches Wochenende um die Ohren gehauen. Wenn irgendwer eine Frage hatte. Hermann wusste einfach alles und war so was wie eine wandelnde Programmdokumentation.

Doch dann kam der Kevin. Bis vor kurzem hat der Kevin noch studiert. Jetzt ist der Kevin Unternehmensberater in einer großen amerikanischen weltweit agierenden Beraterfirma, einem Global Player des Consulting-Business. Kevin haben sie als erstes in einen dunklen Anzug gesteckt. Als zweite Amtshandlung hat er in Hermanns Unternehmen eine neue globale IT-Strategie eingeführt. Der Kevin hat nämlich ausgerechnet, dass es viel besser ist, die IT outzusourcen. Das stand auch so in seinen hübschen Power-Point-Folien. Deswegen passte Hermann nicht mehr in die globale IT-Strategie und Kevin hat ihn mit 55 aufs Altenteil geschickt.

Den Job von Hermann macht jetzt der Rashid, der aber nicht mehr in Deutschland, sondern in Bangalore, Indien sitzt. Weil der Rashid natürlich nicht weiß, was er programmieren soll, braucht er eine exakte Vorgabe, auf der genau steht, was er machen soll. Und im Gegensatz zu Hermann, der sofort beim Fachbereich auf der Matte stand, wenn ihm etwas komisch vorkam, programmiert der Rashid es so, wie es in der Vorgabe steht.

Weil aber das, was der Rashid abliefert nicht mehr so gut ist, wie das von Hermann, hat der Kevin noch einmal nachgelegt und sich eine neue Teststrategie ausgedacht: Es gibt jetzt einen Test-Manager, einen Testautomatisierungs-Manager, einen Testkonfigurations-Manager, einen Test-Designer und die Mitarbeiter vom Fachbereich wurden zu ISTQB-zertifizierten Testern ausgebildet. Zu der Testtruppe gesellen sich noch zwei Test-Consultants aus Kevins Firma. Und weil es so komplex geworden ist und somit schwer ist den Überblick zu behalten, gibt es jetzt noch einen Chief Complexity Officer (CCO). Praktischerweise kam der auch gleich von Kevins Firma.

Der neue Software-Entwicklungsprozess läuft noch nicht so rund, wie der Kevin sich das gedacht hat. Der Fachbereich ist nicht wirklich glücklich mit der neuen Software und die Controller haben auch nicht viel Spaß an Kevins neuer IT-Strategie, weil sie jetzt mehr bezahlen als vorher. Der Kevin sagt dann immer, dass es noch Anlaufschwierigkeiten gibt, die Einsparpotenziale aber bald gehoben werden.

Da frage ich mich doch: War es wirklich so gut, den Hermann schon aufs Altenteil zu schicken?

 Oliver Knittel www.insure-it.com

Projektgeschichte: Ein ganz normaler Tag


6 Uhr 30, Frankfurt am Main, Hotelzimmer. Ein ganz normaler Tag, nach monatelanger Vorbereitungszeit. Ein Blick in den Spiegel – der schwarze Hosenanzug sitzt, die weiße Bluse - perfekt gebügelt, dezentes Make- Up… noch etwas farblosen Lippgloss – mehr erlaubt ER nicht.
6 Uhr 45, Konferenzbereich. Jeder ist mit eigenen Aufgaben beschäftigt. Toni checkt die Technik und die Mikrofonanlage: „eins…, zwei…, drei….“ . Gabi bespricht mit dem Personal die Sonderwünsche unserer Gäste: entkoffeinierten Kaffee für die hochschwangere Prof. Dr. K., Sojamilch für Dr. Z., Obstsalat ohne Bananen – wegen der Allergie für Prof. T.
Julia kümmert sich um die frischen Blumen und Getränke für das Rednerpult. Karin wechselt noch schnell die Sitzordnung der ersten Reihe – Prof. Dr. K. verträgt sich mit Prof. T. nicht – die waren mal zusammen, das weiß aber „keiner“. Dani richtet noch die Krawatten von Mark und Tom – die holen die Key Speakers vom Flughafen ab. Die Abholschilder sind auch fertig: nein…keine Papierschilder – wir sind ja modern – sagt ER immer, wir bereiteten also die iPads: Calibri 48, zentriert, Logo 3x3 cm rechts unten – wegen den CI.
7 Uhr 15, Empfangsbereich. Die Namensschilder und Teilnehmerlisten ordnen, Zettel mit Fotos von Key Speakers an das Team verteilen – jeder soll sich die Gesichter einprägen. Ein Blick ins Back Office – alles in Ordnung.
7 Uhr 55, höchste Zeit… ER kommt gleich. Seine Eröffnungsrede ist auf dem iPad, Calibri 12, Akku voll, daneben eine Tasse Kaffee Crema mit einem Würfelzucker – nicht gerührt!
8 Uhr, ER ist da: schwarze Schuhe, maßgeschneiderte Hose, schneeweißes Hemd und der Armani-Duft, den wir alle mittlerweile hassten! ER nimmt die Tasse, und das iPad und fing an,  seine Rede zu üben – die hat übrigens Bianca geschrieben. Wir wussten - man darf Ihn jetzt nicht stören. ER wird in den Konferenzraum spazieren und laut vorlesen: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, Sie heute hier begrüßen zu dürfen. (…) ICH habe alles getan, damit Sie sich hier voll fühlen…bla…, bla…“. Ok, alles lauft nach Plan - wir können uns zurück ziehen. Im Konferenzraum blieben nur ER und ein etwas verschlafener Mitarbeiter mit einem großen Wagen voll von Getränken.
8 Uhr 40. Die ersten Gäste checken ein, Key Speakers sind auch da… Ein Krach im Konferenzraum, ER schreit…wir laufen los!
8 Uhr 41, Konferenzraum. ER steht da, sein schneeweißes Hemd ist voller Kaffee, sein iPad zerbricht am Boden zusammen mit einigen kaputten Getränkeflaschen, seine maßgeschneiderte Hose hat ein Loch, wir sehen Blut… Jetzt muss alles schnell gehen! Bianca holt den Erste- Hilfe- Kasten, Julia besorgt Nähzeug, Toni tauscht mit IHM sein Hemd – sie tragen die gleiche Größe, Dani besorgt ein anderes iPad, Gabi holt einen USB-Stick mit der Sicherheitskopie SEINER Rede…
9 Uhr, Konferenzraum. „Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, Sie heute hier begrüßen zu dürfen. (…) ICH habe alles getan, damit Sie sich hier voll fühlen…bla…, bla…“
19 Uhr 30, Back Office. Die Konferenz ist zu Ende, die Gäste sind abgereist. Wir packen alles zusammen. ER kommt rein und verabschiedet sich mit den Wörtern: „Bis Montag…“. Die Anspannung lässt nach.
19 Uhr 40,  Bianca holt Sekt und Gläser. Wir stoßen an – ein ganz normaler Tag nach monatelanger Vorbereitungszeit.
19 Uhr 50, Back Office. ER kommt wieder rein – die Stille ist erdrückend, keiner bewegt sich, die Gläser kleben in den Händen. ER sagt ganz leise: „Ich wollte mich bei Euch bedanken…und entschuldigen…“.   
20 Uhr 05, Parkplatz. Wir packen alles in die Autos, ER hilft zum ersten Mal mit…Teamwork…Ein ganz normaler Tag?


Jolanta Czagin (auf Twitter: @wowolek)

Projektgeschichte: Jedermann


Es gibt das Sprichwort „Die schönsten Geschichten schreibt das Leben“. Doch sollten wir nicht von besonderen Ereignissen lernen sondern schon den normalen Alltag als Lehrmeister würdigen.
So lernen wir bei Jedermann’s, die in einem kleinen Vorort einer Großstadt in einem eigenen Häuschen mit Garten wohnen.
Herr Jedermann entdeckte beim Rasen mähen auf dem Nachbargrundstück eine neue Terrasse. Die schon länger bestehende Unzufriedenheit über den eigenen Garten, angereichert mit einem Funken Neid auf den Nachbarn, lässt Jedermann den schnellen Entschluss fassen die eigene Terrasse auch renovieren.

ÜBERMUT
Sofort lässt er den Rasenmäher an Ort und Stelle, und den Rest zu mähender Rasen stehen und räumt die Terrasse leer, zerschlägt die alten Terrassenplatten mit dem großen Hammer  und wirft den Schutt ins Gartenbeet. Als Frau Jedermann am Abend nach Hause kommt findet Sie ein Chaos im Garten vor und stellt ihren Mann zur Rede, der Sie mit seiner Idee der neuen Terrasse überrumpelt.

ÜBERTREIBUNG
Nachdem Herr Jedermann seiner Frau die Idee erzählt hat, ist sie grundsätzlich einverstanden. Allerdings hat sie ihre eigene Vorstellung wie eine Terrasse aussehen muss. Schnell macht Sie ihrem Mann klar, dass das Projekt nur realisiert wird, wenn ihre Wünsche  mit einfließen.
Herr Jedermann möchte eine große Terrasse mit Holzdielen und viel Platz. Dazu einen aus Stein gemauerten Grill. Frau Jedermann möchte aber einen Pool auf der Terrasse mit Poolhaus neben der Terrasse. Außerdem eine freistehende Bar. Die beiden schaukeln sich mit den Ideen und Wünschen so hoch, dass am Ende folgender Plan in den Köpfen entsteht:
Eine Holzdielen-Terrasse mit versenkbarem Pool, ein Poolhaus mit Sauna und eine komplette Gartenküche mit Spüle, Gasherd, Holzgrill, Zapfanlage und Tresen.

ÜBEREILTES HANDELN
Frau Jedermann gefällt jedoch nicht, dass ihr Mann den Garten schon so verwüstet hat. Sie verlangt, dass das Bauvorhaben sofort umgesetzt wird und setzt ihrem Mann eine Frist von 4 Wochen um die Terrasse fertig zu stellen. Sie möchte in 4 Wochen mit ihren Freundinnen auf dem neuen Gartenjuwel feiern.

ÜBERSCHÄTZUNG
Herr Jedermann verspricht seiner Frau den Termin, da er 4 Wochen Urlaub machen kann. „Das schaffe ICH schon Schatz!“
Doch nach 4 Tagen Graben und Schutt karren merkt Herr Jedermann, dass er mit seinen Kenntnissen und dem spärlichen ihm zur Verfügung stehenden Arbeitsmaterial niemals fertig werden kann. Obwohl er die Tage zuvor immer wieder seiner Frau die Einhaltung des Termins versprochen hat, wird ihm immer mehr klar, dass er professionelle Hilfe braucht.

SPARZWANG
Herr Jedermann ist ja nicht nur vielseitig begabt, so glaubt er, sondern ist auch ganz stolz auf seine Jagt nach Schnäppchen. Er setzt in eine Dienstleistungsbörse im Internet eine ausführliche Anzeige mit Zuschlag für den nächsten Tag und Arbeitsanfang in 2 Tagen. Den Zuschlag bekommt der Anbieter „Billigski“ aus einem Osteuropäischen Land. Pünktlich kommt  Herr Billigski zum vereinbarten Tag. Doch an Stelle hochmodernem schwerem Gerät kommt er mit Wörterbuch Polnisch-Deutsch und einem Gehilfen mit Schaufel.  Den ganzen Tag erklärt Herr Jedermann mit Händen und Füssen dem „Bauunternehmer“ das genaue Vorhaben und macht ihm die Dringlichkeit klar. Er glaubt verstanden zu haben, dass ein Tag später  das schwere Gerät und die anderen Fachkräfte kommen. Am nächsten Morgen muss er jedoch feststellen, dass an Stelle von Baggern, 20 Männer mit Schaufeln und Schubkarren in seinem Garten stehen. Nach 2 Tagen, zertretenen Blumenbeeten ums Haus, schmutzigen Handabdrücken an der Hauswand und einem verdreckten Weg im Haus bis zur Toilette, die inzwischen aussieht wie eine Autobahntoilette im Hochsommer, wird Herrn und Frau Jedermann klar, es müssen doch richtige Fachleute angeheuert werden.

FEHLENDE PLANUNG
Herr Jedermann konnte auf die Schnelle eine angesagte aber nicht gerade günstige Gartenbau Firma für das Gartenprojekt gewinnen. Er zeichnet dem Chef der Gartenbau Firma „Selbst & Herrlich“ die groben Ideen auf und erklärt ihm die Wünsche, die er und seine Frau hat. Klar hat er dabei einige Details vergessen. Außerdem ist der Gartenbauer so von sich und seiner Firma  überzeugt, dass er Normal das tut was er für richtig hält. Herr Jedermann macht noch einmal die Wichtigkeit der Termineinhaltung klar, worauf der „Gartenkünstler“ nickend lächelt.

FEHLENDE KONTROLLE
Herr Jedermann ist sichtlich von den letzten Tagen erschöpft und überredet seine Frau zu einem Spontanurlaub für 8 Tage. Er versichert seiner Frau, dass „Selbst & Herrlich“ genau instruiert wurden und untermauert sein Vertrauen an die Firma mit dem hohen Honorar. Es ist Samstag und die beiden wollen nicht bis Montag warten, sondern reisen Sonntag schon ab ohne den Gartenbauer Bescheid zu geben. Als die beiden jedoch 8 Tage später nach Hause kommen, trifft sie beinahe der Schlag. Außer dem Poolhaus ist noch nichts fertig gestellt, und dieses hat optisch die Ähnlichkeit einer kleinen Ritterburg. Im Briefkasten findet das Ehepaar Bestellbestätigungen für Material und Komponenten im Wert für über 130.000 Euro.

ZU KURZFRISTIGES DENKEN
Frau Jedermann nimmt die Sache in die Hand. Sie nimmt sich die Gartenbau Firma zur Brust. Ihren Party Termin im Fokus ist sie bereit Abstriche bei den Wünschen zu machen. Außerdem sollen die Kosten auf ein viertel gesenkt werden. Aus dem versenkbaren Pool wird ein fest stehender Whirlpool. Die Gartenküche wird ganz aus der Planung genommen. Die unnötigen Materialien werden abbestellt.
„Selbst und Herrlich“ können den Termin halten und die Herrin des Hauses kann die Gartenparty mit ihren Freundinnen feiern.
Am Tag danach sitzen Frau und Herr Jedermann gemeinsam auf ihrer Terrasse und stellen fest. Wir müssen demnächst unsere Terrasse noch etwas verschönern.



Und wenn wir uns bei den Jedermann’s wieder erkannt haben, dann sind wir ehrlich zu uns, denn die schönsten Geschichten schreibt das Leben.


Projektgeschichte: Was den Projektleiter aus den Latschen haute


Wie jeden Morgen leicht verspätet hetzte ich die Treppen zum Büro hinauf, die Restpfütze Milchkaffee in meiner schwankenden Kaffeetasse näherte sich dabei bedrohlich dem Tassenrand.
Seit drei Minuten fand unser morgendliches Krisenmeeting zum Projekt „Mailumstellung“ statt. Das Projekt ging einfach nicht voran, obwohl wir uns teamübergreifend intensiv damit auseinandersetzten. Hatten wir ein Problem gelöst und wollten eine Teilumsetzung durchführen, tauchte hierbei das nächste Problem auf, dazu technischer, also sehr komplexer Art. Mit Hochdruck absolvierten wir ein Meeting nach dem nächsten, um zu klären, welcher externe Dienstleister welches Detail erledigen müßte und welche Lösungsansätze getestet werden sollten, um weiterzukommen.

Die Stimmung wurde von Meeting zu Meeting aggressiver und ebenso unproduktiver, alle Beteiligten wirkten gehetzt und frustriert.
Jedenfalls sprintete ich die Treppen hinauf bis zum Konferenzraum, die Tür war bereits geschlossen. Ich blickte nach rechts und links, doch da war nichts. Ich blickte hinter mich, da war niemand. Ich sah nach oben, doch es ging nur vier Stockwerke aufwärts, ohne, dass jemand zu sehen gewesen wäre. Vor dem Konferenzraum einige Paare Schuhe, aber von den Schuhträgern war weit und breit nichts zu sehen. „Was hat denn die Projektmitglieder alle aus den Latschen gekippt?“ Das war mein erster Gedanke. Zögernd öffnete ich die Tür: Der Konferenztisch war an die Wand gerückt worden, in der Mitte des Raumes standen allen Ernstes fünf Herren auf einem Bein, hatten das andere an die Beininnenseite angelegt, schauten tiefernst in die Runde und sagten – nichts.
Schließlich sprach der Projektleiter: „Wir stehen gerade im „Baum“, möchten Sie mitmachen? Er beruhigt und zentriert. Wir werden diese Übung jetzt vor jedem Meeting fünf Minuten praktizieren, um dann in ruhiger Stimmung unsere Planungen voranzutreiben. Mein erster Impuls war: Jetzt wollen sie mich veräppeln…Aber da niemand Anstalten machte, seine Haltung aufzugeben, zog ich etwas verwirrt meine Schuhe aus, gesellte mich dazu und stand einige Minuten auf einem Bein im Kreise meiner Kollegen.
Anschließend wurde der Tisch wieder in die Mitte geschoben, wir begannen wie jeden Morgen mit der Sitzung. Und ob Sie es glauben oder nicht: Das Projekt wurde nicht weniger kompliziert - aber effizienter, konstruktiver und entspannter umgesetzt.

 Sabine H.

Projektgeschichte: Planungs-Party


Heute kommt die Klassenlehrerin meines Sohnes zu uns - zum Essen, das hat sich auf einer der Klassenfeiern ergeben. "Ich erwarte mindestens ein Drei-Gänge-Menü", - sagte sie scherzhaft zum Abschied. Ich wollte schon am Wochenende in den Kochbüchern stöbern, um etwas Spannendes zusammen zu stellen. Doch weder am Wochenende noch gestern kam ich dazu, und nun sind es noch zwei Stunden bis sie an der Tür steht, und ich muss noch durch den Elbtunnel, einkaufen und kochen. Denk nach, denk nach... Es ist angenehm dunkel im Elbtunnel und wie immer etwas Stau. Ich erinnere mich, dass wir eine reife Melone zuhause haben - Serrano-Schinken landet auf der Einkaufsliste. Dann passt eine Minestrone als Vorspeise dazu. Zwei Kinder, zwei Erwachsene und eine Lehrerin... was könnte man uns als Hauptspeise machen? Ich stelle fest, dass ich keine Idee habe und beschließe, dass es Fischstäbchen mit Kartoffelpüree werden, wenn mir nichts anderes einfällt.
Beim Wandern durch den Supermarkt bleibe ich beim Obststand stehen. Dort werden verschiedene Steinobst-Sorten vorgestellt. Gelbe Grütze zum Nachtisch, das ist nun gebongt. Noch eine Sunde... Ich möchte keine Fischstäbchen! Und dann sehe ich die Rettung - Kokosmilch! Es wird grünes Thai-Curry geben, wenig scharf wegen der Kinder.
Zuhause angekommen und Einkäufe auf den Tisch gekippt. Dreißig Minuten. Es darf nichts schief gehen. Während ich schon am Gurken- und Zucchini schneiden bin, fällt mir ein, dass die Grütze ja noch abkühlen muss. Grünes Gemüse zur Seite, gelbes Obst nach vorn. Schneiden, einkochen, kühl stellen. Teilprojekt Nachtisch abgeschlossen. Gemüse für die Minestrone nicht mit den Gurken für Salat vermischen! Schinken-Melone und Salat auf den Tisch, Brot geschnitten - Teilprojekt Vorspeise abgeschlossen. Noch zweimal in der Minestrone rühren, Gewürze rein, Deckel zu - Teilprojekt Suppe abgeschlossen. Noch zehn Minuten. Reis aufstellen, Hähnchenfleisch schneiden, Curry aufstellen, Tisch decken lassen (Kinder-Teilprojekt). Es klingelt.
Als ich paar Stunden später in der aufgeräumten Küche stehe, weiß ich:
- ich hätte mich im Voraus besser vorbereiten sollen, dann wäre ich nicht so unter Stress
- auch wenn ein Nachtisch zum Schluss gegessen wird, muss er manchmal als erstes gemacht werden
- ich hätte das Schneiden delegieren können, auch das Rühren
Übertragen auf mein laufendes Projekt, habe ich sofort beschlossen, mich nächste Woche mit dem Kernteam zu einer Planungs-Party einzuschließen und solange im Raum eingeschlossen zu bleiben, bis wir die Reihenfolge der bis Weihnachten abzuschließenden Teilprojekte zu planen.

Nadja Schröer-Petranovskaja

Projektgeschichte: Die magische Projektvermehrung

Hier ist noch eine Geschichte, die leider außer Konkurrenz läuft, weil sie uns zu spät erreicht hat :-(
Nichtsdestotrotz, wir finden sie gut und möchten sie Euch nicht vorenthalten...

Es war einmal: Ein Projekt X mit großem politischen Überbau - und es war
 ein junger Projektleiter mit viel Begeisterung und (zu)viel Respekt vor
 großen Tieren. Eines Tages kam der Chef des Projektleiters ins Büro und
 rief aufgeregt: "Ich brauche morgen einen Projektbericht auf Folie, ich
 habe eine Präsentation bei meinem Chef". "Kein Problem, das kann ich
 gleich machen, sie haben die Präsentation bis heute Nachmittag"
 antwortet der beflissene Projektleiter. Gesagt - getan. Die Folien
 wurden abgeliefert, der Vortrag gehalten, Chef und Chef-Chef waren
 zufrieden.

 Der Chef-Chef war sogar so zufrieden, dass er eine Präsentationen vor
 dem Vorstand in Aussicht stellte. Des Projektleiters Herz hüpfte vor
 Freude, ein wenig mehr Aufmerksamkeit konnte dem Projekt nicht schaden.
 Wenig später war es dann tatsächlich soweit - ein Termin für eine
 weitere Präsentation wurde anberaumt. Angesichts der Wichtigkeit des
 Teilnehmerkreises sollte die Präsentation überarbeitet werden. Sie
 sollte schöner, spektakulärer und weniger mit Einzelheiten gefüllt
 werden. Wieder sagt der Projektleiter: "Kein Problem, das wird gemacht!"
 Es wurde eine beeindruckende Präsentation, das Projekt gewann an
 Aufmerksamkeit, die Folien wurden weitergereicht, kopiert und an anderen
 Stellen weiter diskutiert.

 In der Zwischenzeit war das Kalenderjahr zu Ende gegangen, das Ritual
 des Projektberichtes stand an. Für den jungen unerfahrenen Projektleiter
 war es der erste große Bericht. Ein mühsames Unterfangen ... Zahlen in
 Excel Dateien übertragen, inhaltliche Zusammenfassungen zu
 Projektschritten schreiben, eine neue Management-Summary formulieren,
 weil die alte zu lang für das neue Formular war und vieles mehr. Zu
 guter Letzt wurde noch eine Präsentation für den Lenkungsausschuss
 erstellt, die Präsentation sollte den Bericht zusammenfassen auf das die
 Mitglieder des Lenkungsausschusses auf das Lesen des Berichtes und der
 Formulare verzichten können. Am Ende stand eine ansehnliche Mappe, die
 sich auf den Weg zum Lenkungsausschuss und in weitere Steuerungsgremien
 machte.
 Das neue Jahr begann mit der Einführung einer neuen
 Projektsteuerungssystematik und dem Aufbau eines unternehmensweiten
 agierenden Projektbüros. Das neu gegründete Projektsteuerungsbüro begann
 Informationen über alle laufenden Projekte zusammen zu tragen erstellte
 eine große Projektliste und sprach Empfehlungen zu Weiterführung oder
 Einstellung von Projekten aus.

 Auch das Projekt X wurde untersucht und für wertvoll befunden - es
 sollte aber modifiziert und mit einem anderen Projekt zusammengelegt
 werden. Während der Projekt-Recherche war noch ein ähnliches Projekt Y
 gefunden worden. Aus Projekt X und Projekt Y sollte das Projekt X2
 gemacht werden. HURRA! Die bedeutende Schwierigkeit bestand nur darin,
 dass Projekt X und Y identisch waren. Die kursierenden Berichte und
 Präsentationen waren mehrfach weiter gegeben worden, das Wissen darum,
 dass es sich um EIN Projekt handelte war hingegen verloren gegangen.

 Es wurde leider nicht überliefert wie der Projektleiter, der den Auftrag
 für die Konsolidierung der zwei Projekte bekam, die Aufgabe gelöst hat.

 Und die Moral von der Geschichte:
 - Einfache Projektberichte werden besser verstanden
 - Schön gemachte Präsentationen können viel Verdruss bereiten
 - Zu viel Aufmerksamkeit für ein Projekt macht das Arbeiten nicht leichter

Dr. Eberhard Huber

Donnerstag, Juli 19, 2012

Der Projektgeschichtenwettbewerb: "Wo ist der Projektleiter?"


Eines Tages standen sie da.


Ich blickte nach rechts und links, doch da war nichts. Ich blickte hinter mich, da war niemand. Ich sah nach oben, doch es ging nur 4 Stockwerke aufwärts, ohne, dass jemand zu sehen gewesen wäre.
Das war an der Ecke zu unserem Büro. Ein Paar Schuhe, aber vom Schuhträger war weit und breit nichts zu sehen.
„Was hat denn den Projektleiter aus den Latschen gekippt?“ Das war mein erster Gedanke.
Und das ist möglicherweise der Beginn einer spannenden Projektgeschichte.



Der Alltag passiert häufiger als man denkt und meistens ganz anders. Daher also meine Frage:
Was kann denn dazu führen, dass es einen Projektleiter aus den Schuhen haut, und wie geht das ganze aus? Erzählt doch mal….
Was wir wollen? –Erfahrungen rund um das Thema Erfolg und Misserfolg in Projekten mit Euch teilen.
Die Geschichten, also Eure Erfahrungen, veröffentlichen wir hier auf dem Projektgeschichten Blog. Natürlich wird die beste Geschichte prämiert. Der Gewinner hat wie im richtigen Märchen einen Wunsch frei und wird mit dem EBH-Projektgeschichten-Award ausgezeichnet. Der Eintrag in der Hall of Fame der Projektgeschichten ist ihm sicher.
Und wer ist der Gewinner? Das bestimmen die Leser. Die Geschichten werden von unseren Lesern bewertet: die Geschichte, die am besten gefällt, wird markiert. Die Geschichte mit den meisten Stimmen gewinnt, das ist ja klar.

Die Aktion startet  am 19. Juli, ihr habt nun 10 Tage Zeit,
 eine Geschichte zu schreiben – oder von einem echten Fall zu berichten, in dem es den Projektleiter aus den Latschen kippte.
Die Geschichte sollte nicht allzu lang sein (etwa 500 Wörter) und es sollte sich um eine „echte Geschichte“ handeln. Eine „echte Geschichte“ hat einen Helden (z.B. den Projektleiter, oder den Stakeholder, den Kunden, etc), ein wirkliches Problem, eine pfiffige Lösung des Problems und am besten ein gutes Ende.
Also nochmal zusammengefasst:
  •      Projektgeschichte verfassen von Euren Erfahrungen erzählen
  •      Einsenden bis zum 29.07. per Mail an story@ebh-muenchen.de
  •      Anschließend Bewertung durch unsere Leserbis zum 07.08.2012
  •      Bekanntgabe des Gewinners  und feierliche Verleihung des Awards mit allem was dazugehört.

Damit wir möglichst viele und ungewöhnliche Projektgeschichten bekommen – erzählt es weiter.

Dienstag, Juli 17, 2012

Erfahrungen verpackt man am besten in Geschichten

Fast jeder Projektleiter hat sie schon erlebt: die Situation im Projekt, die laut Handbuch eigentlich nicht existiert. Da enden die Methoden und das wirkliche Leben beginnt.
Das sind auch genau die Geschichten der "alten Hasen", von denen ich selbst am meisten gelernt habe.
Wenn der Projektleiter dann noch weiß, wie er das ganze spannend, unterhaltsam und trotzdem lehrreich verpackt, machen solche "unmöglichen Projektsituationen" zumindest im Nachhinen auch noch Spaß.

Weil wir es in Kürze brauchen können (sic!! - lasst Euch überraschen) habe ich hier noch mal hochoffiziell meine wichtigsten Lieblingstipps für Projektgeschichten zusammengefasst.


Das mit dem Erzählen von Projektgeschichten folgt ein bisserl eigenen Regeln, darum zum Geschichten dichten:
1)      Zielbestimmung:
Werden Sie sich über folgende Fragen klar:
Was wollen Sie mit der Geschichte aussagen?
Wen wollen Sie erreichen?
Was wollen Sie beim Zuhörer bewirken?
2)      Geschichten-Typ:
Welcher Typ von Geschichte ist passend Ihr Ziel?
- eigene Erfahrung
- Märchen / Fabeln oder Legenden
- Historische Begebenheiten
- Erfahrungen historischer Personen
- Erfahrungen berühmter Persönlichkeiten
3)      Helden festlegen:
Wie sieht der Held der Geschichte aus?
Welche Eigenschaften muss er haben?
Was sind seine Talente?

4)      Die Protagonisten bestimmen:
Welche Figuren sind noch notwendig, um die Geschichte voranzutreiben?
Im Business-Kontext kommt es oft darauf an, dass die Geschichten kurz und prägnant eine Botschaft verdeutlichen. Daher ist es meistens sinnvoll, höchstens einen weiteren Protagonisten in die Geschichte einzubinden.
5)      Was ist die Pointe?
Welches Problem hat der Held und wie wird es gelöst?
Je unerwarteter oder origineller die Lösung ist, umso wirkungsvoller wird die Geschichte. Verblüffen Sie Ihre Zuhörer mit einer Pointe, die sie nicht erwartet haben.

Montag, Juli 02, 2012

Projektgeschichte über das Kaffeeküchengeheimnis

Das ist mal wieder eine Geschichten aus dem wirklichen Projektleben.

Neulich erhielt ich einen Anruf vom Herrn Meier. Das ist ein Mitarbeiter eines Unternehmens, in dem wir uns bis vor kurzen um Projekte gekümmert haben. Wichtigstes Arbeitsmittel der Projekte dort ist: die Kaffeemaschine. Das wusste das Unternehmen aber (noch) nicht.


Übrigens, das meine ich ernst mit der Kaffeemaschine. Denn an der Kaffeemaschine werden Probleme besprochen, Ideen ausgetauscht, Erfahrungen geteilt und zwar nicht nur über Kaffee, sondern alles, womit man sich im Unternehmen gerade so beschäftigt. Wenn ich wissen will, was nirgends steht und wovon angeblich keiner eine Ahnung hat aber unglaublich wichtig und dringend ist, hole ich mir einen Kaffee und fange an mit den Leuten zu reden.


Die haben also so eine schicke Maschine von Nespresso, mit Kaffee, den man bestellen kann und der dann geliefert wird.

Der Herr Meier also rief an: "Wir brauchen Dich!" Hurra, so schnell hat uns ein Problem wieder gefunden? Ich will mich gleich auf den Weg machen. Doch vorher hörte ich mir sein Problem zu Ende an. Er erzählt:

"Du hast doch immer Kaffee mitgebracht. Der war jetzt alle. Ich hab also letzten Mittwoch Kaffee bestellt, zu liefern an meine Packstation von DHL für den Kaffee. Nespresso hat meinen Kaffee verschickt. Nennen wir es Paket 1. Ich hab die Packstation angegeben, aber meine Nummer vergessen.

Ich habs gemerkt, angerufen, Bescheid gesagt. Das war Donnerstag früh.

Nespresso hat gesagt, kein Problem, Das Paket kommt zurück. Weils dringend ist, schicken wir ein neues Paket. Nennen wir es Paket 2.


Wann kommt der Kaffee genau? Ich rufe nochmal an, sie sagen, Paket 2 kommt am Freitag. Also in die Packstation mit der Nummer diesmal. Es ist Freitag. Kaffee? Nein!


Es ist Montag. Ich rufe an. Paket 2 kommt am Montag sagen sie, sonst Montagabend anrufen.

Inzwischen sind mehrere Projekte im Unternehmen ernsthaft gefährdet. Es gibt keinen Kaffee. Die Produktivität sinkt. Kontinuierlich.
Nespresso forscht nach verlorenen Paketen. Und - Paket 1 wurde per Postbote persönlich zugestellt. Nur, wer wohnt in Packstation 103? Den würde ich gerne kennenlernen.

Paket 2 liegt seit Freitag in der Packstation. Huch? Da wars doch gar nicht."

Das Problem wird ganz schön bunt. Ich bin ratlos. Wer hat das Problem und welches soll ich lösen? Beim Unternehmen, bei Nespresso oder bei DHL? Oder ganz woanders?

Der Herr Meier am Telefon ist ganz verzweifelt: „Ohne Kaffee funktioniert doch unserer Unternehmen nicht, was soll ich nur tun? Keiner kann arbeiten, alle warten auf Kaffee. Mach doch mal was.“


Bilder von verwaisten Produktionshallen und leeren Besprechungsräumen ziehen durch meinen Kopf. Alle Mitarbeiter stehen in den Kaffeeküchen, den leeren Becher in der Hand, Verzweiflung im Blick. Keiner redet mit dem andern.


Ich lasse mich überreden, und fahre los. Unterwegs halte ich beim Nespresso-Laden. Das Unternehmen vom Herrn Meier funktioniert jetzt wieder.


Da habe ich die Antwort. Die Erkenntnis auf die brennende Frage der Managementforschung: Was hält ein Unternehmen im Innersten zusammen?


Es sind die Kaffeeküchen, Kaffeemaschinen, Tassen, und so weiter. Denn dann fangen die Leute an, miteinander zu reden.

Und alle wirklich wichtigen Dinge im Unternehmen werden in der Kaffeeküche besprochen. Gut funktionierende Unternehmen nennen es auch das Kaffeeküchengeheimnis.


Mehr über Geschichtenerzählen und Storytelling
                                                                         (Quelle: einer unserer besten Projektgeschichtenerzähler Christoph Schiele)