Dienstag, Juli 21, 2015

Frag doch mal ....

Vor einiger Zeit habe ich mit einem Projektteam, das ich eine zeitlang begleitet habe, einen Planungs-Workshop durchgeführt. Nach kurzer Zeit stellte sich diese merkwürdige Gefühl ein, wenn scheinbar alles stimmt, Dinge aber trotzdem nicht stimmig erscheinen.
Sichtbar wurde es daran, dass alle 7 Beteiligten des Projektteams ganz unterschiedlich über das Projekt sprachen. Ohne "Insiderwissen" über die Projektorganisation hätte man die Leute nicht dem gleichen Projekt zugeordnet. Entsprechend schwierig war die Zusammenarbeit im Team. Regelmäßig gab es ausufernde Diskussionen über die Umsetzung von Meilensteinen, Akzeptieren von Entscheidungen oder Zurodnung von Aufgaben.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, bekam in der nächsten Projektsitzung jeder im Team ein leeres Blatt Papier mit der Aufgabe, das Projektziel aus dem Gedächtnis aufzuschreiben. Ich erhielt 5 verschiedene Projektziele. 3 von 7 nannten das gleiche Ziel.

Bei der Analyse dieses Ergebnisses kamen die Team-Mitglieder zu dem Schluss, dass sie nicht genug Fragen gestellt hatten.
Fragen über das Projektziel, über den Nutzen, den Scope und die Risiken des Projektes.
Die Erkenntnis löste heftige Diskussionen aus. Der Projektleiter erstellte spontan eine Liste von Leuten, mit denen er zur Vorbereitung des Projektes gesprochen hatte. Die Liste war beeindruckend lang. Das brachte die Diskussion zunächst zum Verstummen.

Die nächste Überlegung war: Waren denn in Bezug auf das Projektziel überhaupt die richtigen Fragen gestellt worden?
Wieder nachdenkliche Stille. Wie kommt man an die richtigen Fragen?

Die Erkenntnis des Workshops war, dass man eine Planung erst erstellen kann (schließlich war das die ursprüngliche Absicht des Workshops gewesen), wenn man über das Projektziel und sein Umfeld genügend Fragen gestellt hat.
Das Team hat den Zweck des Workshops anschließend geändert. Es wurde eine "kreative Arbeitssitzung zum Fragenfinden" daraus. Der Titel entstand spontan in der Diskussion.

(Allein die Umbenennung von Workshop in Arbeitssitzung hatte einen Effekt, aber das ist eine andere Projektgeschichte...)

Das Team erarbeitete eine Liste von sehr individuellen Fragen, die es als notwendig erachtete, um Projektziel und Projektumfeld genau zu identifizieren und zu klären. Allein das gemeinsame Nachdenken über gemeinsame Fragen führte zu einem besseren Verständnis des Projektes und des Teams untereinander. Grundlagenarbeit für erfolgreiche Projektteams.

Wie kommt man denn nun an die Fragen, die weiterführen? Dazu ein kleinr Tipp. Erst einmal geht es darum so viele Fragen wie möglich zu finden, unabhängig davon, ob es die richtige Fragen sind.

Klassiche W-Fragen sind schon mal ein guter Anfang:
  • Wer möchte das Projekt?
  • Was genau soll umgesetzt werden ?
  • Wie soll das geschehen?
  • Wann soll das Projekt umgesetzt sein?
  • Wofür soll das Projekt umgesetzt werden?
  • Wo kann die Umsetzung erfolgen?
  • Was hält uns davon ab, das Projekt umzusetzen?
  • Was unterstützt das Projekt?
  •   ... und so weiter ....
Kombiniert mit einem Wechsel der Perspektive ergeben sich unter Umständen ganz neue Erkenntnisse:
  •  Kunden-Perspektive
  • Anwender-Prespektive
  • Auftraggeber
  • Team-Mitglied
  • oder auch: "Was würde die Schwiegermutter dazu sagen?"
  • oder Perspektiven, an die bisher noch niemand gedacht hat
  • zum Beispiel der Barmann meiner Lieblingsbar
Von den Fragen, die Sie finden, beantworten Sie die, die Ihnen sinnvoll erscheinen. Dann beantworten Sie die, die unsinnig sind. Wenn die Antworten auf diese Fragen keine neuen Erkenntnisse bringen, war es nicht die richtige Frage.

Man kann das ganze auch in ein Schema bringen, das hilft, keine Fragen zu vergessen:


Wen wir neue Fragen stellen, erhalten wir neue Antworten. Und möglicherweise genau die Antwort, nach der wir gesucht haben.

Damit erreichen Sie zweierlei:
1) der Projektauftrag wird klar, von allen Seiten und vielen Perspektiven durchleuchtet. Klare Projektaufträge sind schon mal ein guter Start für ein Projekt

2) das Projektteam übt, den Blickwinkel zu ändern. Spätestens bei der ersten Schwierigkeit, die im Projekt auftritt, ist dies eine nützliche Haltung.

Donnerstag, Juli 09, 2015

Wer hat hier eigentlich recht?

Projektleiter Hugo leitet das wöchentliche Meeting zum Projektfortschritt. Während er über die anstehenden Meilensteine referiert, fällt ihm plötzlich sein Stellvertreter ins Wort – er spricht von der seiner Meinung nach unzureichenden Detailtiefe bei der Planung der Teilziele und bringt neue Vorschläge zur Herangehensweise. Hugo weiß in der Situation erst einmal nicht, warum ihm Peter jetzt in den Rücken fällt. Das Meeting nimmt nun einen relativ unkoordinierten Verlauf. Auch bei den nächsten Punkten, die zur Klärung stehen, ergreift Peter immer wieder das Wort und spricht (vermeintliche) Aspekte an, die mit Hugo davor überhaupt nicht besprochen waren. Hugo ist sehr erleichtert, als das Meeting vorbei ist – er muss sich jetzt zuerst einmal sammeln. „Was war denn da passiert?“, fragt sich Hugo ratlos.

Nach einer Weile dämmert es ihm – Peter wollte ebenfalls diese Stelle als Projektleiter; er ist schon lange Jahre im Unternehmen und immer noch sehr ambitioniert. Hugo selbst ist erst seit einem halben Jahr dabei. Um ihm den Einstieg zu erleichtern, wählte das Management Peter zu seiner Unterstützung als Stellvertreter aus. Das fühlte sich für Peter als Rückschritt an, weil er sich schon seit längerem als Projektleiter sieht. Hugo hatte nicht das Gefühl, dass er Peters anfängliche Einwände nicht beachtet hätte. Doch jetzt ist er ziemlich sauer, weil ihm Peter dermaßen in die Parade gefahren ist – und das auch noch vor dem ganzen Team.
Quelle: Fotolia.de


Am folgenden Nachmittag trifft er wieder auf Peter – Hugo bittet ihn um ein Gespräch. Dabei führt Peter immer wieder die fachlichen Mängel in Hugos Planung an und verweist darauf: „Das habe ich dir schon zu Anfang gesagt“. Was Peter aber eigentlich störend findet, ist, dass er zum wiederholten Male Fehler ausbügeln muss, die nicht auftreten würden, wenn er selbst die Leitung für das Projekt hätte. Auch findet er es ungerecht, dass ihm immer wieder so ein Anfänger vor die Nase gesetzt wird, er aber in der Pflicht steht wenn es kritisch wird. Grundsätzlich hat er nichts gegen Hugo, aber seiner Meinung nach wäre es sinnvoller wenn Hugo als sein Stellvertreter langsam in die Führungsposition eingeführt würde. Hugo vertraut Peters Erfahrung und argumentiert in der Aussprache damit, dass er Peters Rat sehr wohl schätzt und ihn nicht als „Untergebenen“ betrachtet, doch die Präsentation im Meeting seine Aufgabe gewesen sei. Die Einwände von Peter empfand er in dem Moment als unfair. Peter hat seine Einwände nicht im Vorfeld angeführt, das hat Hugo geärgert. Auch betont er nochmals, wie wichtig es für ihn ist jemanden an seiner Seite zu haben, der so viel Erfahrung wie Peter hat. Er schlägt ihm vor, dass die Präsentationen für die Teammeetings in Zukunft gemeinsam ausgearbeitet werden, damit eventuelle Unstimmigkeiten im Vorfeld sichtbar werden. Hugo betont nochmals, dass er Peters Meinung schätzt, und dass er sehr froh ist einen so erfahrenen Stellvertreter zu haben. Auch erwähnt er, dass er für zukünftige Projekte Peter als Projektleiter unterstützen möchte und sie dann ja auch durchaus die Rollen tauschen könnten. Peter scheint sich nun deutlich wohler zu fühlen und die gemeinsame Arbeit im Projekt wird wieder konstruktiv. Was Hugo getan hat: Er ist nicht auf die Sachthemen, die Peter anführte eingegangen, sondern hat die für Peter schwierige Beziehungsseite angesprochen und ihm seine Wertschätzung mitgeteilt. Dadurch konnte er den eigentlichen Ärger Peters besänftigen und zu einer konstruktiven Lösung kommen.

Fazit:
  • Konflikte haben stets mehrere Ebenen. Häufig wird die Sachebene vorangestellt, obwohl sich dahinter ein emotionaler Konflikt versteckt. Wie bei einem Eisberg liegen mehr Themen unsichtbar unter der Oberfläche, als zunächst sichtbar. 

  • Für eine Konfliktlösung ist es wichtig, dass alle Themen angesprochen werden, nicht nur die sachlichen. Dazu muss jedoch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis bestehen. Haben Sie als Projektleiter Mut, Vertrauen zu geben. Dann wird es Ihnen auch entgegengebracht. 

  • Da jeder eine Situation anders wahrnimmt und interpretiert, ist es wichtig, eine Lösung zu entwickeln, die die Perspektiven aller Beteiligten berücksichtigt. Jeder hat seine eigene Wahrnehmung einer Situation, und die muss nicht zwangsläufig mit der des anderen übereinstimmen. Hinterfragen Sie als Projektleiter öfter mal konfliktreiche Situationen: „Wie sieht denn dieser Punkt aus der Perspektive der Gegenseite aus?“

Mittwoch, Juli 08, 2015

Einfach mal die Leute direkt fragen

 Es gibt Projektsituationen, da ist das Team ratlos. Zum Beispiel fehlt gerade die zündende Idee, um die Stakeholder zu überzeugen. Oder es ist unklar, ob diese eine Anforderung so ganz richtig verstanden wurde. Oder es kommt kein Feedback der zukünftigen Anwender auf den letzten Projektnewsletter. Obwohl da doch klar drinstand, dass das Projekt gerne eine Rückmeldung hätte. Aber keiner antwortet.

Es gibt dafür eine ganz einfache Projektweisheit:
Einfach mal hingehen und ganz direkt und persönlich fragen.

Im Gespräch klärt sich dann vieles wie von alleine. Möglicherweise müssen die Stakeholder gar nicht mehr überzeugt werden, nur regelmäßig informiert. Möglicherweise war diese eine unklare Anforderung doch ganz einfach, sie war nur umständlich formuliert. Und möglicherweise hatten die zukünftigen Anwender nicht verstanden, dass man auf den Newsletter einfach antworten sollte. Dafür helfen direkte Fragen. Ganz einfach.

Besonders schön können das übrigens gerade die Schweizer: